Angelika Claußen

Der Einsatz von Uranwaffen (Depleted Uranium)
in den Golfkriegen 1991 und 2003

Sachverständigenstellungnahme, Irak-Tribunal, Berlin 19.6.04;

Dr. med Angelika Claußen ist stellvertretende Vorsitzende der IPPNW

Die Stellungnahme beschreibt die physikalischen Besonderheiten des Uran, von Uranmunition, sowie Umfang und Orte des Einsatzes von Urangeschossen während beider Golfkriege durch die alliierten kriegsführenden Kräfte. Sie stellt zudem den Stand wissenschaft­licher Erkenntnisse über die Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung und der Soldaten vor und wertet sie.

Was ist abgereichertes Uran?

Natürliches Uran, also in der Natur vorkommendes Uran, ist ein Gemisch verschiedener Uranisotope. Es besteht zu 99,28 % aus Uran-238, zu 0,72 % aus Uran-235 und enthält Spuren von Uran-234 (0,0054 %).

Abgereichertes Uran (DU) ist ein Abfallprodukt aus der Herstel­lung von Kernbrennstoff für Atomkraftwerke. Dort wird angerei­chertes Uran verwendet, bei dem der Anteil an Uran-235 gegen­über dem natürlichen Uran erhöht ist[1]. DU besteht typischerweise zu 99,8 % aus Uran-238 und zu 0,2 % aus Uran-235 und enthält kein Uran-234 mehr. Wird DU aus abgebrannten Brennelementen von Atomkraftwerken gewonnen, kann es Spuren von Plutonium-239 enthalten.

Abgereichertes Uran enthält etwa 60% der Radioaktivität des natür­lichen Urans. Es ist vorwiegend ein alpha-Strahler, die Spaltpro­dukte des DU in dessen Zerfallsreihe emittieren Beta- und Gamma-Strahlen.

DU muss als schwach radioaktives Material entsorgt werden und erzeugt so enorme Lagerungs- und Kostenprobleme. Die USA haben über 700.000 t DU gelagert.

Physikalische Eigenschaften des DU

DU hat eine ca. 70 % größere Dichte ist als die von Blei[2]. Wegen dieser extremen Dichte wird DU sowohl zur Beschwerung in der Luft- und Schifffahrt als auch zur Panzerung genutzt.

DU hat in fein verteiltem Zustand die Fähigkeit, sich spontan zu entzünden. Materialdichte und pyrophore Eigenschaft werden in Geschossen angewandt, u.a. zur Zerstörung von Panzern oder stark gepanzerten Objekten. [3].

Wie wirkt die Munition?

Die zerstörerische Wirkung der Uran-Munition beruht auf seiner Bewegungsenergie (kinetischen Energie). Die ist umso größer, je größer die Masse und die Geschwindigkeit des Geschosses sind. Um bei gleicher Geschossgröße (gleichem Kaliber) eine möglichst große Masse zu erreichen, ist ein Geschoss aus einem Material mit möglichst großer Dichte von Vorteil.

Trifft ein DU-Geschoss auf ein Ziel, wandelt sich die Bewegungs­energie des Geschosses zum überwiegenden Teil in Wärmeener­gie um. Die beim Einschlag entstehenden Temperaturen und Kräfte sind so hoch, dass das Geschoss schmilzt und z.T. zerstäubt. Der entstehende Uranstaub entzündet sich und verstärkt den Zerstö­rungseffekt des Geschosses. Durch das Schmelzen, Zerstäuben und Entzünden des Urans entstehen Uranpartikel und Uranoxide, die als Schwebteilchen (Aerosole) und Stäube in die Umgebungs­luft gelangen.

Wie gelangt Uran bzw. DU in den menschlichen Körper?

Durch Inhalation, Nahrungsaufnahme oder durch die Haut kann das DU in Form eines Areosols oder als Uranoxid in den Körper gelan­gen. Als Uranoxid, das 2,5 Micron oder kleiner ist, ist es lungen­gängig und kann dort für mehrere Jahre verbleiben, wobei es lang­sam durch das Lungengewebe in das Blut gelangt. Die biologische Halbwertzeit des Uranoxid in der Lunge beträgt 1 Jahr, die des Aerosols 2 Jahre, es kann bis zu 8 Jahren dauern, bis das DU wieder aus dem Körper ausgeschieden ist.

Der Hauptaufnahmeweg in den menschlichen Körper ist durch die Atmung.

Warum ist DU gesundheitsschädlich?

DU wirkt sowohl chemotoxisch als auch radiotoxisch. Betroffene Organe sind vor allem die Lunge als Hauptaufnahmeorgan, von da aus gelangt DU über die Lymphknoten in die Blutbahn und in die Niere als Organ der Ausscheidung. Die Art und das Ausmaß der gesundheitlichen Schäden hängen

a)      damit zusammen ob die jeweiligen DU-Partikel wasserlöslich sind oder nicht. Wasserlöslichkeit bedeutet, dass Partikel schnell, d.h. innerhalb weniger Tage in den Blutkreislauf gelangen können und über die Niere ausgeschieden werden.

b)      mit der Menge der aufgenommenen Partikel zusammen.

Die nicht wasserlöslichen Teilchen, vor allem das Aerosol verblei­ben lange in der Lunge und setzen so die Zellen der Umgebung einer langfristigen Niedrigstrahlung aus.

Gleichzeitig haben die DU Partikel als schwerlösliches Metall (wie auch Natururan[4]) eine toxische Wirkung, die sich vor allem durch den Ausscheidungsprozess in der Niere bemerkbar machen kann. Die toxische Wirkung führt zu zellulärer Nekrose und Zellatrophie in der Niere mit der Folge, dass die Filterfunktion der Niere geschädigt wird. Langfristig droht eine Niereninsuffizienz.

Gegensätzliche Forschungshypothesen

In der wissenschaftlichen Kontroverse um die Schädlichkeit des DU nutzen die Antagonisten unterschiedliche Hypothesen, um ihre Ein­schätzung zu rechtfertigen.

Einerseits wird sich auf das Modell der ICRP (International Commission on Radiological Protection) bezogen, das als Modell für vorwiegend externe Strahlungseinwirkungen - Beispiel Atom­bombe Hiroshima -, aber auch Röntgenstrahlen tauglich ist.

Andererseits sind der Bezug hypothetische Modelle bezüglich der internen Strahleneinwirkung, beisp. durch Inhalation, Nahrungsauf­nahme, wie sie im Niedrigstrahlendosisbereich typisch sind. Beispiele sind gehäufte Kinderkrebserkrankungen in der Nahumge­bung von Atomkraftwerken, der massive Anstieg zunächst der Schilddrüsenkrebse bei Tschernobyl-Kindern und der kindlichen Missbildungen nach Tschernobyl, inzwischen auch der Anstieg der Brustkrebserkrankungen, Pankreaserkrankungen und Immunde­fekte bei der von den Strahlenwirkungen des Tschernobyl-Unfalls Betroffenen.

Die alpha-Strahlung der Uranyl-Ionen kann auf der Zellebene das genetische Material schädigen, es besitzt mutagene Fähigkeiten. Direkt von der Niedrigdosisstrahlung des DU getroffenen Zellen unterliegen allerdings auch dem sog. Bystander Effekt. D.h. es wird nicht nur das genetische Material der direkt getroffenen Zelle, sondern auch das der Nachbarzellen destabilisiert, was die Ursache für Krebs und andere Erkrankungen darstellen kann.

Die wissenschaftliche Forschung der letzten Jahre - sowohl von einigen wenigen armeeabhängigen Instituten als auch von unab­hängigen Forschern - konzentrierte sich darauf, die schädlichen Auswirkungen des DU als eine Wechselwirkung der radioaktiven Strahlung und der chemotoxischen Auswirkungen zu verste­hen.

Obwohl selbst wissenschaftliche Institute der Armee, wie das U.S. General Accounting Office (1993)[5] und das Army Environmental Policy Institute (1995)[6] die gesundheitsschädlichen Wirkungen des DU einräumen, heißt es im Schlussbericht des Presidential Advisory Committee of Gulf War Illnesses (1996):

“Es ist unwahrscheinlich, dass die gesundheitlichen Auswirkungen die von den Golfveteranen beklagt werden, auf die Exposition mit DU zurück zu führen sind.“

Bis heute ist das die offizielle Stellungnahmen der Regierungen in den USA und in Großbritannien: Es gibt keine wissenschaftliche Untersuchung, die gesundheitsschädliche Auswirkungen des DU zweifelsfrei belegt.

Wo und in welcher Menge wurden Urangeschosse im Irak eingesetzt?

Im 1. Golfkrieg 1991 verblieb durch alliierten Munitionseinsatz eine geschätzte Menge von mindestens 320 t DU. 1400 von 3700 irakischen Panzern sollen mit DU-Munition getroffen worden sein. Die Urangeschosse wurden hauptsächlich in Kuwait und im Süden des Iraks, bei der Verfolgung der sich zurückziehenden irakischen Truppen, eingesetzt.

Für den 2. Golfkrieg 2003 existieren unterschiedliche veröffentlichte Schätzungen, wie viel t Uranwaffen abgefeuert worden sein sollen. Offiziell wird der Einsatz der Waffen von den Koalitionskräften bestritten.

U.S. Senator Jon Kyle nennt unter Bezug auf U.S.-Army-Daten die Zahl von 21,8 t.

D. Fahey geht von 100 – 200 t aus, ein nicht namentlich genannter Sprecher der CentCom spricht von 68 t, ein Artikel der AP aus dem April 2003 und eine UNEP-Presseinformation sprechen von 1000 – 2000 t (Quelle allesamt UMRC-Presseinformation). Haupteinsatz­orte der DU-Munition folgten dem Invasionsweg der Truppen: Schatt el Arab, Basra, Nasiriya, As Suweirah und verschiedene Stadtteile von Bagdad, vor allem in der Nähe des Internationalen Flughafen.

Das Uranium Medical Research Center hat zudem 9 Veteranen des 442. Polizeiregiments auf Spuren des DU im Urin untersucht. Diese Veteranen waren in Samawah stationiert und sind letztes Jahr aus dem Krieg zurückgekehrt. Bei 4 der neun Veteranen wurde DU im Urin nachgewiesen. (Quelle: New York Daily News, 5.April 2004).

Forschungsergebnisse aus dem Irak

Kindliche Missbildungen und Kinderleukämien des Kranken­hauses Basra

Schon ab 1995-1996 bemerkten irakische Ärzte einen erheblichen Anstieg der kindlichen Missbildungen und der Kinderleukämien unter allen Kindern, die im Mutter-Kind-Hospital in Basra geboren und/oder behandelt wurden. Das Mutter-Kind-Hospital ist zuständig für die Diagnostik und Therapie aller Kinder und Jugendlichen bis 15 Jahre in der gesamten Provinz Basra, bei denen Krebs oder Krebsverdacht diagnostiziert wurde. Zusätzlich entbinden alle Mütter, die Krankenhausgeburten bevorzugen, im Mutter-Kind-Hospital in Basra. Die zuständigen Kinderärzte und Neonatologen registrieren dort ebenfalls eine verhältnismäßig große Anzahl der möglichen Missbildungen (ausgenommen Hausgeburten).

Da ein allgemeines Register für Kinderkrebserkrankungen und kindliche Miss­bildungen nicht besteht, begannen die Ärzte des Krankenhauses mit einer epidemiologischen Studie, die alle im Krankenhaus aufge­nommenen und/oder behandelten Patienten einschloss.

Diese irakischen Studien sind die einzigen Bevölkerungsstudien (Studie Dr. Alim Yacoub et al). Auch wenn diese Studien einige Schwächen enthalten (wie z.B. das Fehlen unabhängiger Expositi­onsmessungen in Haut und Urinproben, keine Kontrollpopulation ohne Exposition, Problem der Vorannahmen, weil es sich um retro­spektive Studien handelt), gibt es doch mehr als ausreichende und alarmierende Hinweise, die weitere breit angelegte Forschungen dringend erforderlich machen.

Weitere Studien

Ebenfalls wurden von irakischen Wissenschaftlern (Dr. Souad al-Azzawi et. al.) der Bagdad Universität Wasser, Boden und Pflan­zenproben aus den Gebieten des Südirak genommen, wo Panzer­schlachten und der Einsatz von Urangeschossen im Krieg 1991 stattfanden. Sie fand hohe Expositionsraten von Gammastrahlung in der Nähe der zerstörten Panzer und gepanzerten Fahrzeuge. (zwischen 8 und 184 µRad /Std. Vergleich: die übliche  Hintergrundstrahlung beträgt 6 – 7 µrad /Std. die höchsten Expositionsraten wurden dem Bezirk von Jabal Sanam, den nsüdlichen und nördlichen Rumaila Ölfeldern, alle diese Bezirke stellen Vororte der Stadt Basra dar.

 

Die alarmierenden Ergebnisse führten zu einer Initiative des iraki­schen Gesundheitsministeriums an die UN-Vollversammlung und die WHO. Es wurde um Durchführung einer breit angelegten Studienreihe der WHO ersucht. Sowohl WHO als auch das Komitee für Abrüstung und internationale Sicherheit befürworteten diese Initiative.

Allerdings übte eine starke US-Lobby massiven Druck auf die UN-Vollversammlung aus. Die US-Regierung erklärte, dass sie nur unter der Voraussetzung, dass der Irak der WHO die nötigen Messgeräte zur Verfügung stelle und die gesamten Kosten für die Untersuchungen zahle, der Bitte des Irak zustimmen würde. Dazu war die irakische Regierung unter Embargobedingungen jedoch nicht in der Lage. (Quelle: mündliche Mitteilung von Andreas Zumach, Journalist).

Zu den Untersuchungsergebnissen

Die Inzidenzrate der Neuerkrankungen an Krebs pro Jahr/pro 100.000 Kinder hat sich zwischen 1993 und 2001 im Vergleich zu 1990 vervierfacht (27 auf 100 Fälle absolut).

Die Rate des Neuauftretens von kindlichen Missbildungen hat sich mehr als verfünffacht: von 3.04 Fälle auf 1000 Geburten 1990 auf 17.6 Fälle auf 1000 Geburten im Jahr 2000. Diese Zahlen sind weiter ansteigend, wie Dr. Jenan Hassan auf der Uranwaffen-konferenz (in Hamburg) berichtete. Interessant ist außerdem die Tatsache, dass die erkrankten Kinder zu einem großen Teil von Vätern stammen, die im 1991er-Krieg gekämpft und überlebt hatten. Zu DU und des­sen Auswirkungen auf Kinder sagt der WHO-Experten Dr. Mike Repacholi, dass die karzinogenen Auswirkungen des DU bei Kindern nach Schätzung 10 – 20mal höher liegen als bei Erwach­senen.

Aber auch die Anzahl der Krebserkrankungen bei Erwachsenen hat sich erheblich erhöht: Von 11 Neuerkrankungen /100.000 im Jahre 1988 auf 123 Neuerkrankungen /100.000 im Jahre 2002.

Ergebnisse der Studien an den Golfkriegsveteranen

US-Veteranen: Während des Golfkrieges 1991 nahmen etwa 500.000 Soldaten an militärischen Operationen im Irak und Kuwait teil, etwa 200.000 blieben in Saudi-Arabien stationiert, das theore­tisch nicht mit DU kontaminiert sein sollte.

Im Jahr 2000 waren 133.000 Soldaten bei dem Medizinischen Register des Verteidigungsministerium registriert, d.h. 133.000 Sol­daten, bei denen unterschiedliche Krankheiten diagnostiziert worden waren. Bei 80% dieser Soldaten wird das „Golfkriegssyn­drom“ attestiert, ein Krankheitsbild, dass sehr unterschiedliche Symptomcluster zusammenfasst.

Die RAND-Corporation wurde beauftragt, ätiologische Faktoren für das „Golfkriegssyndrom“ zu untersuchen. Von den 12 Studien, die die Rand-Corporation durchgeführte, befasste sich nur eine mit den möglichen Folgen des DU (Harley et al, 2000). Alle Rand-Studien sind reine Literaturstudien. Sie untersuchen nicht die tatsächlichen oder möglichen Patienten.

Im Ergebnis wird immer wieder ein Zusammenhang zwischen DU und möglichen gesundheitlichen Schäden, wie z. B. das Golfkriegs­syndrom, verneint.

 

Britischen Veteranen: Im Jahre 2000 veröffentlichte das Britische Verteidigungsministerium einen Bericht über die erste epidemiolo­gische Studie an britischen Golfskriegsveteranen. Der Bericht be­schrieb eine Reihe von Studien, die an verschiedenen britischen Universitäten durchgeführt wurden. Eine Studie der Universität Manchester untersuchte die Todesursachen, eine andere die sub­jektiven Beschwerden der Veteranen.

Auch diese Studien brachten kein klares Ergebnis, so dass das Ministerium weiterhin einen Zusammenhang zwischen DU und ge­sundheitlichen Folgen verneinte.

Beurteilung

An allen Veteranen-Studien ist die angewandte bzw. nicht ange­wandte Methodik zu kritisieren: Zumeist sind nur reine Literaturstu­dien gemacht worden, kaum epidemiologische Studien.

Neben epidemiologischen Studien (als Suchmethode für weitere Forschungen) müssten bei erkrankten und nicht erkrankten Vetera­nen die mögliche Exposition mit DU abgefragt werden sowie Screening-Untersuchungen in Körperflüssigkeiten auf abgerei­chertes Uran sowie nach für radiologische Einwirkungen spezifi­sche Chromosomenaberrationen gesucht werden. (siehe Studien von Dr. Durakovic, URMC, und Heike Schröder et al., Bremen) Dies gilt natür­lich ebenso für die irakische Zivilbevölkerung, die erkrankt ist, wobei Kinder eine besonders empfindliche Gruppe darstellen.)

Es ist aus ärztlicher Sicht ist zu kritisieren, dass diese wissen­schaftlichen Untersuchungsmethoden nicht  in den regierungsamtlichen Forschungen angewandt werden.

So entsteht der Eindruck, dass die von der US-amerikanischen und der britischen Regierung durchgeführten Studien nicht der Aufklärung, sondern der Verschleierung der Ursachen dienen. 

Auch die Verweigerung des Sicherheitsrates auf Druck der US-Regierung, im Jahre 2001 systematische und breit angelegte Studien der WHO zur Ursachenaufklärung der Kinderkrebser­krankungen, insbesondere Leukämien im Irak durchführen zu lassen, erhärtet den schweren und nicht von der Hand zu weisenden Verdacht, dass hier Ursachenverschleie­rung statt Ursachenaufklärung betrieben wird.

Aus medizinischer Sicht ist die Ursachenaufklärung der massiv angestiegenen Krebserkrankungen bei der Zivilbevölkerung im Irak und der hohen Erkrankungszahlen unter den Golfkriegsveteranen überfällig. Auch die irakischen Golfkriegsveteranen müssten dringend hinsichtlich ansteigender Krebserkrankungen und Missbildungen bei deren Kindern untersucht werden. Hierzu bedarf es zuallererst des politischen Willens der Besatzungsmächte. Die finanziellen Ressourcen sind angesichts der Summen die für Krieg und Besatzung ausgegeben wurden, vorhanden [7]. Das wissenschaftlich-medizinische Know-how ist ebenfalls vorhanden.

 

Da die bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen des Militärs nicht wirklich der Ursachenaufklärung dienten, müssen unabhän­gige Untersuchungen gefordert werden. Auch die WHO ist leider nicht unabhängig.

 

Dies wurde kürzlich durch die Veröffentlichung des jetzt pensio­nierten Strahlenexperten der WHO, Keith Baverstock, deutlich. In einer Studie machten Baverstock und seine Ko-Autoren darauf aufmerksam, dass Luftstäube, die DU-Aerosole enthalten, wie sie im Süd-Irak an bestimmten Stellen zu finden sind, sowohl radioaktiv schädlich und chemisch-toxisch wirken. Die unterdrückte WHO-Studie, die 2001 been­det wurde, hätte laut Baverstock Druck auf die USA und Großbri­tannien ausüben können und den Einsatz von Uran-Waffen eindämmen können.

Baverstock sagt: „Das Ergebnis unserer Studie ist, dass der ausgedehnte Einsatz von DU-Waffen im Irak eine einzigartige Bedrohung der Gesundheit für die Zivilbevölkerung darstellen könnte. Wir haben zunehmende wissenschaftliche Beweise dafür, dass die radiologische Aktivität und die chemische Toxizität mehr Schäden an menschlichen Zellen hervorruft, als wir bisher ange­nommen haben. DU ist ein Alpha-Strahler und verfügt gleichzeitig über eine chemische Toxizität. Beide Effekte in ihrer Wechselwir­kung könnten eine „Cocktail-Effekt“ erzeugen, der für die Erhöhung des Krebs-Risikos verantwortlich ist.“ [8]

Auch die UNEP äußerte sich kurz nach Beginn des letzten Irak-Krieges zur Frage des DU: Klaus Töpfer, Geschäftsführer der UNEP, betonte die dringende Notwendigkeit von Studien über die mögliche Kontaminierung mit DU-Geschossen für den Irak.

Fazit

Trotz aller noch existierenden offenen Fragen hat die neuere und insbesondere die unabhängige Forschung hinreichend Beweise erbracht, dass Menschen, die DU in ihren Körper aufgenommen haben, seien es Soldaten oder Zivilbevölkerung, aber vor allem Kinder und Jugendliche, einer schweren Gefährdung ihrer Gesundheit und ihres Lebens ausgesetzt sind.

Das alleine reicht aus, um von den Regierungen der Welt, also in der UN und im UN-Sicherheitsrat, ein Verbot des Einsatzes von DU-Waffen zu fordern. Keine Macht dieser Welt hat das Recht, auf ihren selbstgewählten Kriegsschauplätzen die Menschen noch lange nach Beendigung der Kriegshandlungen zu vergiften.

 

Für die Sachverständigenstellungnahme wurden folgende Quellen benutzt:

a)   Ergebnisse des wissenschaftlichen Symposiums des Nuclear Policy Research Institute (NPRI) vom Juni 2003 in New Yorker Academy of Medicine.

b)   Auszüge aus dem WHO-Dokument vom 5.11.01, Verfasser Keith Baverstock, C. Mothersill und M.Thorne

c)   irakische epidemiologische Studien über die Erhöhung der Kinderleukämien und der kind­lichen Missbildungen zwischen 1990 und 2002 (Dr. Alim Yacoub et al), Studie über Umweltverschmutzung (Dr. Al-Azzawi et al)

d)   Irak-Untersuchungsbericht des Uranium Medical Research Centre vom Nov. 2003

e)   Forschungsergebnisse von A. Durakovic, Uranium Research Centre bezüglich seiner Studien an Golfkriegsveteranen

f)    Ergebnisse der Studie der Bremer Chromosomenaberrationsanalysen (H. Schröder et.al.)

g)        www.sundayherald.com/40096

 

www.sundayherald.com/40096

 

 


[1]  Angereichertes Uran für Atomkraftwerke besteht zu etwa 3 % aus U-235 und zu etwa 97 % aus U-238. Auch in Atombomben wird angereichertes Uran eingesetzt. Dann beträgt der Anteil an Uran-235 ca. 90 %.

[2] Aufgrund der Dichte von ca. 19 g/cm3 zählt Uran zu den Schwermetallen. Die Dichte von Wasser beträgt 1 g/cm3, die von Eisen 7,9 g/cm3 und die von Blei 11,3 g/cm3. Eine Literflasche gefüllt mit Wasser wiegt demnach 1 kg und gefüllt mit Uran 19 kg.

[3] Auch Staaten wie Großbritannien, Russland, die Türkei, Pakistan, Saudi-Arabien, Thailand, Israel und Frankreich nutzen diese Munition.

[4] Die Uran-Häufigkeit in der Erdkruste beträgt etwa 2,3 Gramm/Tonne. So enthalten Luft, Trinkwasser, Böden und Nahrungsmittel Spuren natürlichen Urans. Die mittlere Urankonzentration in der Luft liegt bei etwa 0,04 Milliardstel Gramm pro Kubikmeter. Bei einer mittleren täglichen Atemrate eines Erwachsenen von ca. 20 m3 Luft gelangen daher etwa 0,8 ng (Nanogramm; Milliardstel Gramm) Uran pro Tag über die Atmung in den Körper. Mit der Nahrung nimmt ein Erwachsener je nach Ernährungsgewohnheiten täglich etwa 0,5 mg bis 1,5 mg (Mikrogramm; Millionstel Gramm) Uran zu sich. Davon wird ein erheblicher Teil mit dem Kot wieder ausgeschieden, nur ein kleiner Teil wird vom Körper aufgenommen. Im Ergebnis ergibt sich ein mittlerer Uran-Gehalt im Körper eines Erwachsenen von ca. 30 mg bis 60 mg.

[5] „nicht lösliche Oxide, die inhaliert wurden, verbleiben länger in der Lunge und stellen ein potentielles Krebsrisiko dar infolge der radioaktiven Strahlung. Über die Nahrungskette aufgenommene Teilchen stellen ein radioaktives und ein toxisches Risiko dar.“

[6] “Wenn DU in den Körper gelangt, hat es die Fähigkeit, signifikante medizinische Folgen zu hinterlassen. Die Risiken, die mit DU assoziiert sind, sind sowohl chemischer als auch radiologischer Natur.“

[7]  53 Milliarden US-Dollar wurden im Okt. 2003 vom US-Senat für militärische Operationen und Truppenstationierung im Irak bewilligt.

[8] “WHO ‘suppressed’ scientific study into depleted uranium cancer fears in Iraq”

By Rob Edwards Feb 23, 2004