„Lieber sterben als zurück“

Anmerkungen zur Internationalen Irakkonferenz in Berlin, März 2008
von Kilian Stein
(aus Liga-Report. Informationsbrief der Internat. Liga für Menschenrechte (Berlin) 1/08)

Von Freitag, 8.03. bis zum Sonntag, 10.03.2008 fand im Audimax der Humboldt-Universität bzw. ab Sonntag im Haus der Demokratie eine internationale Irak-Konferenz statt, zu der auch die Liga aufgerufen hatte. Sie wurde am Sonnabend von etwa 300 und am Sonnabend von etwa 400 Personen besucht. Es war die zweite Konferenz zu dieser Thematik. Die erste fiel in die Zeit kurz vor der Invasion. Seinerzeit wurde die Lügenhaftigkeit der Begründungen für den Krieg aufgegriffen und behandelt. Fast durchweg ignoriert von den Medien, die sich noch immer von dem Auftritt Außenminister Powells vor dem UN-Sicherheitsrat beeindruckt zeigten oder wenigstens so taten. Auch deren heutige Rolle bei der systematischen Verschleierung der Konfliktursachen kam auf der Konferenz zur Sprache. Für die freie Presse gilt das Schema, die USA seien der, allerdings überforderte, Ordnungsfaktor im Irak. Und: Alle Gewalt, die dort ausgeübt werde, mit Ausnahme der der USA und ihrer inneren und äußeren Verbündeten, sei Terror. Unterschiede zwischen der entfesselten, zum Teil ethnisch begründeten Kriminalität in diesem failed state und dem legalen wie legitimen Widerstand gegen das Besatzungsregime werden nicht gemacht. Die USA als ein systematisch mit terroristischen Methoden vorgehender Staat, diese Einschätzung ist tabu.

Auf der Konferenz referierten mit den Verhältnissen in Irak und der Region vertraute Ökonomen, Juristen, Ärzte, Journalisten, Diplomaten, ein Altorientalist und politische Aktivisten aus dem Irak, den USA und Deutschland. Krieg, Besatzung und die internationale Situation wurden unter vielen Aspekten beleuchtet. Von diesem enormen Stoff seien nur ein paar Elemente hervorgehoben.

Die Katastrophe, die die „westliche Welt“ über den Irak gebracht hat, übersteigt das Vorstellungsvermögen. Seit dem Krieg in Korea und dem im sog. Indochina ist nichts geschehen, was Zerstörung, Tod, menschliches Leid mit diesem Mordunternehmen um Öl – es war der ehemalige Chef der FED, Allan Greenspan, der es klar und deutlich aussprach: „Ich schäme mich, es zu sagen, es ging hauptsächlich um Öl“ – vergleichbar wäre. Das Material, das die US-amerikanische Ärztin irakischer Abstammung, Dahlia Wasfi, während der Konferenz einbrachte, war zum Teil kaum zu ertragen.

Der Krieg begann eigentlich schon 1991, als das zur Erzwingung eines Abzugs der irakischen Truppen aus Kuwait erlassenen Embargo aufrechterhalten wurde, mit schlimmen Folgen für Ernährung, medizinische Versorgung und Bildung der Bevölkerung. Zur Erinnerung: Madeleine Albright, Außenministerin unter Clinton, sagte auf die Frage, ob der Tod der vielen Kinder nicht ein zu hoher Preis sei: „Der Preis ist gerechtfertigt.“

Der offene Krieg war eine logische Fortsetzung zur Erreichung einer vom „Westen“ beherrschten Region vom Mittelmeer bis nach Indien und China, in der - in einem Umkreis von 800 Kilometern um die Stadt Basra - 70 Prozent der Vorkommen an Erdöl und Erdgas in der Welt liegen. Botschafter a.D. Seifert, der dies vortrug, wies darauf hin, dass anders als im Fall der Politik des Staates Israel, die Durchsetzung dieser Politik der gewaltsamen Unterwerfung der Staaten und Völker des Nahen und Mittleren Ostens mit direkten militärischen Folgen für die europäischen Staaten verbunden sein könnte.

Die Truppen der USA und ihrer Verbündeten haben – so nicht allein William Polk, ein ehemaliger politische Berater von Präsident Kennedy und spezialisiert auf die Erforschung von Guerilla-Taktiken – keine Chance, diesen Krieg zu gewinnen. Eine für mich doch überraschende Aussage, die aber Referenten im Detail und nicht nur mit Hilfe historischer Analogien zu begründen versuchten.

Und wie das lösen? Darüber und was der Besatzung folgen könnte, wurde viel gesprochen. Erste Voraussetzung einer Lösung,, darin waren sich alle einig, ist ein Abzug der USA und ihrer Verbündeten. Aber wie soll das erreicht werden angesichts der gewaltigen Kapitalinteressen an einem Erfolg von Krieg und Okkupation? Und die nationale Ehre! Von keiner neuen Administration, auch nicht von Obama, ist eine eigene Initiative zu erwarten. Das wurde mehrfach von Referenten gesagt. Zwei Faktoren wurden genannt, die letztlich einen Rückzug bewirken könnten. Die wahnwitzigen Kosten des Krieges für die USA. Zwei Billionen Dollar bisher, unabsehbar mehr in der Zukunft. Beim letzten Haushalt wurde eine Kürzung von Sozialausgaben direkt mit dem Ansteigen der Kosten für den Krieg begründet. Aus der Mehrheit von 70 Prozent der Befürworter ist eine Minderheit von 35 Prozent geworden, wobei die finanzielle Belastung leider die Hauptmotivation für den Rückgang abgeben dürfte. Der zweite Faktor: Die Kampfmoral der Truppen sinkt rapide. So berichtete jedenfalls Clifton Hicks, ehemaliger Panzerfahrer und Richtschütze in Bagdad, heute ein Aktivist der Organisation Irakveteranen gegen den Krieg. Auch das gibt es in den USA. Er zeigte unter anderem das Foto eines Irakers, der, völlig unbewaffnet, getötet wurde, indem ein Panzer seinen Kopf zermalmte. Weitere Panzer folgten...

„Alternativen zu Krieg und Besatzung“ – Internationale Irak-Konferenz, 7. - 9. März 2008 in Berlin: www.irakkonferenz2008.de