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World Tribunal On Iraq -  Kulminierende Session - Istanbul (23.-27. Juni 2005) 


Erklärung der "Jury des Gewissens"

Völkerrechtlicher Anhang

Erläuternder Hinweis

Dieser völkerrechtliche Anhang soll die Stellungnahme der Jury stützen, deren Bewertungen hauptsächlich auf einer moralischen und politischen Würdigung des Irakkriegs beruhen. Die Stellungnahme beruht auf den ausführlichen schriftlichen und mündlichen Zeugenaussagen von Völkerrechtsexperten von akademischem Weltruf während der Istanbuler Abschlußsitzung des Welttribunals über Irak (WTI). Er spiegelt auch die Zeugenaussagen und Sachvorlagen zu verwandten Themen der Kriegsverbrechen und der Unterlassung der Vereinten Nationen, den Irak gegen einen Angriff zu schützen, wieder.

Die Jury des Gewissens waren kein Gremium, das aus Juristen oder Experten im Völkerrecht bestand. Sie hörten keine Plädoyers für die Rechtmäßigkeit des Einfalls in den Irak, wie sie vor einem gerichtlichen Gremium unter der Amtsgewalt eines Staates oder einer internationalen Institution, die stellvertretend für die internationale Gemeinschaft handelt, vorgebracht worden wären. Während seiner ganzen Sitzungen ist das Welttribunal über Irak von einem Gefühl der moralischen und politischen Empörung besorgter BürgerInnen aus der ganzen Welt bezüglich des Kriegs ausgegangen. Das Tribunal war nicht an einer Debatte nur über die Rechtmäßigkeit interessiert. Die Rechtsfragen waren in dem Maße relevant, in dem sie dem moralischen und politischen Zweck des Tribunals Gewicht verliehen, nämlich den Irakkrieg als Verbrechen zu enthüllen, indem es an die tiefen Verbindungen zwischen uns allen als Menschen apelliert. Daher suchte das Tribunal nach Zeugenaussagen und Beweismaterial, um den von den Angreifern um den Irakkrieg geworfenen Mantel der Ehrbarkeit, sowie den von den linientreuen Medien verbreiteten falschen Eindruck, daß der Irakkrieg in irgendeinem Art von politischen Umständen, moralischen Erwägungen, oder juristischer Analyse gerechtfertigt gewesen sei, in Frage zu stellen.

Das WTI ist ein weltweiter Vorgang, der sich zum Ziel setzt, die Gerechtigkeit im Namen der Völker der Welt zurückzufordern. Es will die schweren Unrechte, Verbrechen und Verletzungen aufzeichnen, die im Verlauf des Vorganges, der zum Angriff auf den Irak führte, während des Kriegs, und während der ganzen darauffolgenden Besetzung begangen wurden, und bis zum heutigen Tag mit unverminderter Heftigkeit fortgesetzt werden. Die Rolle des Völkerrechts wird im Lichte dieser Ziele des WTI gesehen.

Die Sorgen des WTI gehen viel weiter als das Verlangen nach der Durchsetzung des Völkerrechts, insbesondere da ein Großteil dieses Rechts zur Zeit den Interessen der Reichen und Mächtigen dient. Trotzdem ist das Völkerrecht bezüglich der Anwendung von Gewalt und den Rückgriff auf den Krieg wichtig im Zusammenhang mit der Arbeit des WTI. Das Völkerrecht ist aus folgenden Gründen für das WTI nützlich:

Außerdem benutzt das WTI das Völkerrecht, um seine Aufgabe zu erfüllen: Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen: Juristische Analyse Grundsatz I

Jede Person, die eine Tat begeht, die nach dem Völkerrecht als Verbrechen bestimmt wurde, ist dafür verantwortlich und wird der Bestrafung zugeführt.

Grundsatz II

Der Umstand, daß das nationale Recht keine Strafe für eine Tat vorsieht, die nach Völkerrecht als Verbrechen bestimmt ist, entlastet den Täter nicht von seiner Verantwortlichkeit nach Völkerrecht.

Grundsatz III

Der Umstand, daß der Beschuldigte eine nach Völkerrecht als Verbrechen gekennzeichnete Tat in seiner Eigenschaft als Staatschef oder verantwortliches Mitglied einer Regierung begangen hat, entlastet ihn nicht von seiner Verantwortlichkeit nach Völkerrecht.

Grundsatz IV

Der Umstand, daß eine Person nach dem Befehl ihrer Regierung oder eines Vorgesetzten gehandelt hat, entbindet sie nicht von der Verantwortlichkeit nach Völkerrecht, es sei denn, daß sie keine Möglichkeit gehabt hat, sich frei zu entscheiden.

Grundsatz V

Jede Person, die eines Verbrechens gegen das Völkerrecht beschuldigt wird, hat Anspruch auf ein gerechtes Verfahren, und zwar in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.

Grundsatz VI

Die nachstehend aufgeführten Verbrechen sind als Verbrechen nach dem Völkerrecht zu bestrafen:

a) Verbrechen gegen den Frieden:

i. Die Planung, Vorbereitung, Anzetteln oder Durchführung eines Angriffskrieges, oder eines Krieges durch Verletzung internationaler Verträge, Vereinbarungen, oder Versicherungen;

ii. Die Teilnahme an einem gemeinsamen Plan oder Verschwörung zur Ausführung irgendeiner der unter (i) aufgeführten Taten.

b) Kriegsverbrechen: Verletzungen des Kriegsvölkerrechts oder Kriegsbrauchs, zu denen unter anderem gehören Mord, Mißhandlung oder Deportation der Zivilbevölkerung eines oder in einem besetzten Gebiet zur Zwangsarbeit oder für irgendeinen anderen Zweck, Mord oder Mißhandlung von Kriegsgefangenen, von Personen auf See, das Töten von Geiseln, das Plündern von öffentlichem oder privatem Eigentum, die mutwillige Zerstörung von Städten oder Dörfern, oder Verwüstung, die nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt ist. c) Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Mord, Ausrottung, Versklavung, Verschleppung, und andere unmenschliche Taten, die sich gegen die Zivilbevölkerung richten, sowie Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, wenn die Taten in Ausführung von oder in Verbindung mit Verbrechen gegen den Frieden oder Kriegsverbrechen begangen werden. Grundsatz VII

Die Mittäterschaft bei der Ausführung eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens, oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit, wie im Grundsatz VI niedergelegt, ist ein Verbrechen nach Völkerrecht.

Verstöße und Verbrechen:

I. Der Einfall in den Irak am 20. März 2003, zusammen mit der fortdauernden Besetzung des Iraks, stellt einen Verstoß gegen die Kernverpflichtung der Charta der Vereinten Nationen dar:

II. Die Führung des Irakkrieges durch die angreifenden Streitkräfte, hauptsächlich derjenigen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, und die nachfolgende Besetzung haben in zahlreichen Aspekten gegen das Kriegsrecht, z.B. die Genfer Abkommen über das humanitäre Kriegsvölkerrecht (1949), die Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen (1977), und die Haager Landkriegsordnung (1899, 1907) verstoßen, einschließlich der folgenden: III. Die Besetzung des Iraks hat das Selbstbestimmungsrecht des irakischen Volkes eklatant verletzt: IV. Zur Besetzung des Iraks gehörten massive Übergriffe gegen die irakische Zivilbevölkerung, einschließlich des weitverbreiteten und durchgängigen Rückgriffs auf die Folter, deren Ausübung vom Völkerrecht bedingungslos verboten ist: V. Die Vereinten Nationen haben es versäumt, ihre Verpflichtungen zum Schutz souveräner Staaten, besonders ihrer Mitglieder, gegen Verletzungen ihrer formellen Rechte auf politische Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit aufrecht zu erhalten, indem sie es tatenlos zugelassen haben, daß der Irak zwölf Jahre lang vor dem Einfall von 2003 bedroht und angegriffen wurde: Schlußfolgerungen
  1. Die Erklärung der Jury steht mit einem objektiven Verständnis des Völkerrechts, einschließlich der Charta der Vereinten Nationen, im Einklang.
  2. Mitglieder der Vereinten Nationen und Regierungen souveräner Staaten haben rechtliche Verpflichtungen, die Charta einzuhalten , und Maßnahmen zu ergreifen, um Achtung vor dem Kriegsrecht zu gewährleisten.
  3. Alle drei Kategorien der Nürnberger Verbrechen liegen in der Invasion und Besetzung des Irak vor.
  4. Der Internationale Strafgerichtshof sollte die Täter und Kollaborateure für diesen Angriff auf den Irak und die damit zusammenhängenden Völkerrechtsverbrechen, die aus der nachfolgenden Besetzung des Landes entstanden sind, anklagen, verfolgen und bestrafen.
  5. Der Internationale Strafgerichtshof sollte durch ein besonders eingerichtetes internationales Tribunal ergänzt werden, das dazu ermächtigt ist, Verbrechen, die vor 2002, vor der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs , begangen wurden, anzuklagen, zu verfolgen, und zu bestrafen und Verbrechen im Zusammenhang mit Staaten, die nicht dem Internationalen Strafgerichtshof beigetreten sind, und die deshalb nicht verfolgt werden.
  6. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen sollte dazu ermutigt werden, das Völkerrecht in Bezug auf den Irakkrieg und die Besetzung zur Geltung zu bringen.
  7. Innerstaatliche Gerichte, die das Prinzip der Weltgerichtsbarkeit anwenden, sollten dazu aufgefordert werden, Personen, die mit Nürnberger Verbrechen im Irak in Zusammenhang stehen, zu untersuchen und anzuklagen.
  8. Organe der Zivilgesellschaft, einschließlich des WTI, sollten Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, daß die Empfehlungen und Schlußfolgerungen der Erklärung der Jury zügig und gerecht zur Geltung gebracht werden.

Anhang: Verzeichnis von Rechtsurkunden

Übersetzung: Timothy Slater